Richtlinien der Erzdiözese Wien | |
Für die Bibliotheken des Kirchlichen Bibliothekswerks haben wir gemeinsame Richtlinien erarbeitet, die die wichtigsten Belange einer Bibliothek in kirchlicher Trägerschaft regeln.
RICHTLINIEN ZUM KIRCHLICHEN BIBLIOTHEKSWESEN IN DER ERZDIÖZESE WIEN, INSBESONDERE ZUM VERHÄLTNIS BIBLIOTHEKEN – TRÄGER (PFARRE, KOOPERATION U. A.)
Grundlagen “Das Buch zu bewahren und seine Lektüre und Verbreitung zu fördern, ist folglich für die Kirche eine Aktivität, die ihrem Missionsauftrag sehr nahe steht, um nicht zu sagen, mit ihm eins ist. Aus diesem höchsten Anspruch – nämlich dem Missionsauftrag der Kirche – lässt sich der Antrieb für die ununterbrochene sorgende Aufmerksamkeit ableiten, mit der die christliche Gemeinschaft die eigenen Bibliotheken geschaffen, gepflegt, bereichert, bewahrt und allgemein zur Verfügung gestellt hat.“
1. Bibliotheken von Pfarren und Gemeinden als Öffentliche Bibliothek
Die sich in der Trägerschaft der Kirche, vor allem der Pfarren, manchmal zusammen mit Gemeinden (Kooperation), befindlichen Bibliotheken werden in der Regel als Öffentliche Bibliothek geführt. Öffentliche Bibliotheken „ermöglichen als professionelle Servicestellen unter Einbeziehung modernster Informations- und Kommunikationstechnologien allen Bürger:innen den Zugang zu vielfältigsten Medienangeboten und kulturellen Aktivitäten.“ Sie müssen allgemein zugänglich sein und dürfen nicht auf Gewinn ausgerichtet sein.
2. Wichtiger Beitrag zum Bildungsauftrag der Kirche
Bibliotheken sind ein Beitrag der Kirche für die Inkulturation christlicher Werte in einer säkularisierten Welt (z. B. durch das Angebot kirchlicher und religiöser Literatur) und gleichzeitig ein Beitrag der Kirche für Meinungsvielfalt und einen offenen Umgang mit aktuellen Themen. Indem eine Pfarre die Trägerschaft einer Öffentlichen Bibliothek übernimmt, kommt sie ihrem Kultur- und Bildungsauftrag nach.
3. Teil des seelsorglichen Grundauftrages einer Pfarre
Bibliotheken sind weiters Orte der kulturellen Begegnung und eines lebendigen Austausches für Menschen jeden Alters und aller sozialen Schichten. Als solche sind sie auch Teil des seelsorglichen Grundauftrags einer Pfarre und leisten Dienste für die gesamte Pfarrarbeit.
4. Serviceeinrichtung und Familienförderung
Sie sind außerdem eine Dienstleistungs- und Serviceeinrichtung der Kirche für die gesamte Bevölkerung des Einzugsgebietes. Das Angebot der Bibliothek unterstützt auch in vielfältiger Weise Kinder, Familien und ältere Menschen, die nicht (mehr) mobil sind.
5. Unterstützung durch das Kirchliche Bibliothekswerk
Zur Unterstützung und Förderung des kirchlichen Bibliothekswesens ist das Kirchliche Bibliothekswerk die maßgebliche Fach- und Servicestelle für alle kirchlichen Bibliotheken der Erzdiözese Wien. Als eine Marke der Katholischen Erwachsenenbildung profitiert es von vielfältigen Kooperationen innerhalb und außerhalb der Erzdiözese. Es ist Ansprechpartner für alle bibliothekarischen Belange in den fünf Bibliotheksregionen (Wien, NÖ-Mitte, Süd, Nordwest und Nordost) und vertritt die kirchlichen Bibliotheken nach außen (Land, Bund, u.a.). Das Bibliothekswerk wird dabei von fünf Regionalbetreuer:innen und dem von ihnen gebildeten Bibliothekarsrat unterstützt. Bei historischen Buchbeständen (vor 1900) ist das Diözesanarchiv als Ansprechpartner heranzuziehen. Schreiben der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche vom 19. März 1994 (Kirchliche Bibliotheken in der Sendung der Kirche), 1.2. und 1.3. 2 Leitbild des Österreichischen Büchereiverbands, Februar 2009 3 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Kirche in der Welt von heute, Art. 60 KATHOLISCHE KIRCHE Erzdiözese Wien // Wiener DIÖZESANBLATT November 2022 Seite 137
Aufgaben der Träger (Pfarre, Gemeinde u.a.)
Zu den Aufgaben eines Bibliotheksträgers gehört neben der Errichtung der Bibliothek die Sorge um den laufenden Betrieb in Hinsicht auf die räumlichen, finanziellen und personellen Voraussetzungen. Nachfolgende Punkte sind als Förder- und Zielstandards, auch zur Erreichung von Förderkriterien zu verstehen, um der Bibliothek eine effektive Möglichkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu bieten. Die daraus resultierenden Erfordernisse sind dabei immer im Zusammenhang mit der Gesamtsituation einer Pfarre zu sehen.
6. Lage/Größe/Klima
Eine Bibliothek sollte barrierefrei erreichbar, im günstigsten Fall ebenerdig gelegen sein. Um ihre o. a. Aufgaben in entsprechender Weise erfüllen zu können, sollte ausreichend Platz vorhanden sein. Unter Berücksichtigung der Örtlichkeit empfiehlt das Bibliothekswerk als Grenzwert 18 qm pro 1000 Medieneinheiten. Ebenso sollte das Raumklima bei der Raumwahl berücksichtigt werden (Feuchtigkeit, Hitze/Kälte).
7. Ausstattung
Eine zweckentsprechende, bibliothekarischen Erfordernissen angemessene Möblierung der Räume sowie Heizung, Reinigung und anfallende Betriebskosten sind Aufgabe des Bibliotheksträgers. Ebenso sollte eine zeitgemäße technische Ausstattung (PC mit Bibliotheksprogramm, Drucker und ein Internetanschluss) vom Träger ermöglicht werden.
8. Bestandsgröße
Die Bestandsgröße einer öffentlichen Bibliothek sollte nicht unter 2000 Medien sein. Als Maßgröße werden etwa drei Medien pro Benutzer oder 1 Medium pro Einwohner (korrespondierend mit der Ortsgröße) empfohlen.
9. Öffentlichkeit
Der Status der Öffentlichkeit erfordert Öffnungszeiten, die es möglichst vielen ermöglichen, die Bibliothek zu benutzen. Die Öffnungszeiten werden vom Bibliotheksteam in Abstimmung mit dem Träger unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Benutzer festgelegt. Die Mindestöffnungsdauer sollte nicht unter vier Stunden wöchentlich betragen. Als öffentliche Bibliothek muss die Bücherei weiters mit einem eigenen, klar erkenntlichen Schild als solche im öffentlichen Raum kenntlich sein (ein kleiner Hinweis im Schaukasten genügt nicht!).
10. Bibliotheksleitung
Bibliotheken werden in der Regel ehrenamtlich geführt und betreut. Die Bestellung, Änderung und Abberufung des Bibliotheksleiters/der Bibliotheksleiterin erfolgt durch die Pfarrleitung (bei kooperativen Bibliotheken gemeinsam mit der Gemeinde) im Einvernehmen mit dem Bibliotheksteam und ist dem Kirchlichen Bibliothekswerk bekannt zu geben. Die für die Bibliotheksleitung vorgesehene Personen haben die Ausbildung zur ehrenamtlichen bzw. nebenberuflichen BibliothekarIn absolviert bzw. bringen die Bereitschaft mit, diese zeitnah zu absolvieren.
11. Finanzierung
Damit eine öffentliche Bibliothek aktuell und für unterschiedliche Benutzer interessant bleibt, ist eine stete Erneuerung des Medienbestandes notwendig. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel können sich aus Fördermitteln des Landes, des Bundes und der Gemeinde, aus Einnahmen durch Gebühren und aus dem Trägerbeitrag (im Fall einer kooperativen Trägerschaft aus den Trägerbeiträgen) zusammensetzen. Ein entsprechender Trägerbeitrag der Pfarre/Gemeinde ist bedeutsam und wird sehr empfohlen, auch deshalb, weil von den Eigenmitteln der Bibliothek Förderungen von Bund oder Ländern abhängig sein können. Als Mindestmaß ist für kirchliche Büchereien eine jährliche Erneuerungsquote von 3 bis 7 % erstrebenswert. Im umgekehrten Sinne ausgeschlossen sind Beiträge der Bibliothek an die Pfarre oder anderen Trägern, die einer bibliotheksfremden Verwendung zugeführt werden.
12. Gebühren
In der Regel werden in Österreich in Öffentlichen Bibliotheken geringe Leih- und Mahngebühren eingehoben, die als Kostenbeteiligung der Benutzer am laufenden Betrieb zu verstehen sind. Als gemeinnützige Einrichtung kann bzw. darf eine Bibliothek nicht gewinnbringend geführt werden. Die Festlegung der Gebühren erfolgt in Abstimmung mit dem Träger.
13. Bibliotheksvermögen
Auch aufgrund direkter Subventionen durch die öffentliche Hand ist das Vermögen der Bibliothek streng zweckgebunden. Das Bibliotheksvermögen gilt bei pfarrlicher Trägerschaft als pfarrliches Sondervermögen, das von der Bibliotheksleiterin/dem Bibliotheksleiter verwaltet wird. Die Verwaltung erfolgt über eine einfache Ein- und Ausgabenrechnung. Die Buchhaltung der Bibliothek wird vom Vermögensverwaltungsrat (VVR) einmal jährlich geprüft und in der Kirchenrechnung als pfarrliches Sondervermögen ausgewiesen. Zur Orientierung sind die Zahlen der Jahresmeldung maßgeblich. Über die Mittel der Pfarrbibliothek verfügt ausschließlich das Bibliotheksteam. Löst sich ein Team auf, so ist das Bibliotheksvermögen vom Pfarramt treuhändisch zu verwahren und zu verwalten und einem gegebenenfalls neu entstehenden Team wieder für Büchereizwecke zu übertragen.
14. Auflösung
Die Auflösung einer Bibliothek mit pfarrlicher Trägerschaft kann nur durch einen Mehrheitsbeschluss des Pfarrgemeinderates und des VVR erfolgen. Allenfalls bezogene oder noch vorhandene Förderungen seitens verschiedener Institutionen (Land, Bund, Gemeinde) sind an diese zurück zu erstatten. Alle bei einer Auflösung erfolgenden finanziellen Gebarungen sind in der Kirchenrechnung anzuführen. Das Kirchliche Bibliothekswerk ist in Kenntnis zu setzen.
Die genaue Fassung unserer Richtlinien finden Sie hier zum Nachlesen oder herunterladen. Die Richtlinien sind Teil der diözesanen Gesetzgebung und wurden im Diözesanblatt November 2022 veröffentlicht, womit die Wichtigkeit und der Stellenwert der Bibliotheken unterstrichen wird.
Gleichzeitig bleibt die konkrete Gestaltung jeder Bibliothek vor Ort überlassen, da diese natürlich von vielen subjektiven Faktoren abhängt.
Auch in anderen Diözesen in Österreich wurden ähnliche Richtlinien erarbeitet, als Beispiel bieten wir Ihnen hier die Richtlinien der Bibliotheksfachstelle der Diözese St. Pölten. Diese können Sie hier herunterladen oder nachlesen.